ABOUT CONCEPTUALISM
Steven Brower, Sam Durant, Danius Kesminas, Michael Stevenson

ERÖFFNUNG:
Samstag 25 September 1999
20 Uhr

GEÖFFNET:
26 September — 15 November 1999

Die Auseinandersetzung mit historischen Ideen und Idealen der Moderne ist ein vielfach sichtbares Motiv der aktuellen Kunst. Die Reflexion dieser Vergangenheit ist eine künstlerische Notwendigkeit geworden, vorgegeben durch Akademien, das heutige Publikum, Kritiker und Theoretiker, doch viele Künstler gehen inzwischen über diese passive Vorgabe hinaus: Sie fordern eine neue Diskussion heraus, stellen Fragen an die Konzepte und Visionen der Vorgänger und leisten damit eine Reanimation, die gegen Musealisierung und die Macht der Legenden wirkt.

Der Neue Aachener Kunstverein NAK hat vier junge Künstler eingeladen, die in dieser Hinsicht besonders interessante Ansätze verfolgen und in der europäischen Szene bislang kaum bekannt sind: Steven Brower (*1969), Sam Durant (*1962), Danius Kesminas (*1966) und Michael Stevenson (*1964). Die Arbeitsfelder dieser Künstler überschneiden sich trotz unterschiedlicher Geburts- und Lebensorte: die beiden Amerikaner Sam Durant und Steven Brower leben in Los Angeles bzw. in New York; der Neuseeländer Stevenson lebt ebenso wie Danius Kesminas in Melbourne/Australien. Ihr Ansatz ist bestimmt durch die Rezeption von Zeitschriften wie Artforum und durch kunsttheoretische Diskurse, die entweder dominant für die eigene Ausbildung waren oder geografisch fern, lediglich medial vermittelt, existierten. Und so geht es im realisierten Projekt auch maßgeblich um Phänomene historischer Vermittlung bzw. auch geografischer Ausbreitung, d. h. um Annäherung und Distanznahme aus einer Perspektive, die sich als prototypisch für die heutige Generation darstellt. Ein entscheidendes Erkenntnisinteresse dieses Projekts liegt denn auch darin, einen neuen Umgang mit Lektionen der jüngeren Kunsttheorie zu spiegeln. Es geht um die aufgeklärte Rolle des Künstlers und dessen geheime Identitäten, um Verbindungen zu Rock- und Medienstar-Funktionen und eine Demontage von offiziellen O-Tönen.

Sam Durant beschäftigt sich seit mehreren Jahren mit dem politschen und kulturellen Kontext der Zeit um 1970 und nimmt hierbei die damals postulierte Erweiterung der Kunst in das “expanded field” (Rosalind Krauss) der realen Gegenwart beim Wort. Im Zentrum steht der früh verstorbene Robert Smithson, dessen Werke und Texte die avanciertesten Belege hierfür lieferten, wobei Durant die Lesarten jetzt entschieden erweitert. So hat er die Koinzidenz von Smithsons “Partially Buried Woodshed” an der Kent State University mit den dortigen Unruhen und dem Menetekel der vier ebendort kurz danach erschossenen Studenten thematisiert (vgl. Durants Installation in: A Living Theatre, kuratiert von Diana Thater, 1999 im Salzburger Kunstverein). Zudem wird er mit der Serie der “Dirt Clump”-Zeichnungen, dem Spiegelobjekt “What”s Underneath Must be Released and Examined to be Understood” (1998) und jenem von Krauss definierten Diagramm im NAK die erweiterte Relation zwischen Künstleridentität, Rock- und Musikstar definieren, eine Relation, die von Smithson zum von ihm favorisierten Neil Young, zu den Rolling Stones und bis hin zu Kurt Cobain verweist.

Danius Kesminas und Michael Stevenson, dessen fiktiver Videotitel “What Your Children Should Know About Conceptualism” (entworfen in einer größeren Folge von fiktiven Lektionen zur Kunst der sechziger Jahre) den Titel dieser Ausstellung gab, haben, nach einem ersten Gemeinschaftsprojekt in der Kasseler Ausstellung “Toitoitoi”, ein weiteres Projekt begonnen, dessen erstes Produkt im NAK uraufgeführt wird. Der Serientitel ist “One Act Plays”, erste Folge darin “Daily Practice”, ein bekanntes Interview mit Gerhard Richter aus dem Jahr 1992, inszeniert und gefilmt als Theaterstück – mit australischen Schauspielern, in englischer Sprache, mit dem deutschen Originaltext in Untertiteln. Kesminas und Stevenson haben diese Strategie entwickelt, um eine Definitionsmacht zu diskutieren: Gleichermaßen geht es hier um Mächte von Kunstkritik und Künstlertext und um die Gesamtheit eines Diskurses, dessen Verifizierbarkeit gerade im herausgegriffenen Interviewtext in Frage gestellt ist.

Steven Brower beschäftigte sich in seinen frühen Arbeiten mit den konstruktiven Visionen von Buckminster Fuller (im Herbst 1998 im NAK im Rahmen der Ausstellung “Following a Dream, Architekturfiktionen der 60er Jahre” zu sehen) und Frank Lloyd Wright sowie mit dem Mythos des Black Mountain College, dem Exil vieler Bauhaus-Lehrer und -Schüler. Inzwischen verlagert sich seine Arbeit jedoch auf eine Betrachtung der persönlichen und gegenwärtigen Situation als Künstler. Sein Beitrag für das neue Projekt im NAK nimmt die Genese dieser Ausstelllung auf und will deren eigenen konzeptuellen Hintergrund fokussieren. Die beteiligten Künstler erscheinen als Puppen – verfüg- und biegbare Statisten in einem Feld ursprünglich kollaborativ gedachter Möglichkeiten.

Realisiert in Zusammenarbeit mit dem Brandenburgischen Kunstverein Potsdam
Gallery Talk mit Steven Brower, Sam Durant, Danius Kesminas und Michael Stevenson
Filmfavoriten von Sam Durant im Diana Kino.