VALIE EXPORT

ERÖFFNUNG:
Samstag 4 April 1998

GEÖFFNET:
5 April — 24 Mai 1998

Die Wienerin VALIE EXPORT (*1940) gehört zu den profiliertesten und aktuell interessantesten Künstlerinnen der Gegenwart. Einerseits auf der Ebene künstlerischer Medien: Sie zählt zu den Pionieren der multimedialen Kunst, verwendete von Beginn an Fotografie, Video, Film, Aktion und Performance, um neue Formen von aktueller Kunst erfahrbar zu machen. Andererseits auf inhaltlicher Ebene: seit mehr als 30 Jahren beschäftigt sie sich mit der Problematik der Geschlechter, mit den tradierten Rollen- und Identitätszuschreibungen von Mann und Frau, wobei sie immer wieder auf aktuell wichtige Fragestellungen von Mensch, Psyche und Körper trifft. Ihre Berufung an die Kölner Kunsthochschule für Medien, ihre große Retrospektive 1996 in Wien, die Verleihung des Gabriele-Münther-Preises, doch mehr noch zahlreiche Artikel und Referenzen von jüngeren Künstlerinnen und Kunstwissenschaftlerinnen belegen die Aktualität von EXPORTs Werk in der heutigen Kunstdiskussion. Dennoch ist ihr Werk bis heute dem breiten Publikum kaum bekannt.

Aus diesem Grund entstand die Idee, im Neuen Aachener Kunstverein NAK eine Einzelausstellung zu realisieren, die das Werk von EXPORT unserem Publikum vorstellen und eine intensive Diskussion ihrer Position anregen soll.

“Psycho – Prognose” lautet der Titel dieses Projekts, das einen pointierten, ebenso retrospektiven wie aktuellen Einblick in ihr Werk geben wird und sich in drei Teile gliedert:

1) eine mehrteilige Laser-, Text- und Sprachinstallation,

2) ausgewählte Foto- und Konzeptserien aus den 60er, 70er und 80er Jahren

3) eine Präsentation ihrer Experimental – und Spielfilme.

Im Zentrum des Projekts steht “Der Schrei”, eine sehr suggestive, sinnlich beklemmende Rauminstallation, die ( basierend auf diversen Einzelkonzepten von 1968 und 1992) im Jahr 1994 für die große Werk-Retrospektive in der Wiener Kunsthalle realisiert wurde. Thema dieser Arbeit ist die Be- bzw. Verhinderung von Sprache: auf einer Großprojektion erscheint der Blick auf einen menschlichen Rachen, auf das Fleisch eines Mundraums und die Stimmbänder. Parallel dazu hört man die gepressten, kaum verständlichen Laute von glutturalem Sprechen und auf zehn flankierenden Monitoren werden sensorische Daten dieser Artikulationen visualisiert. VALIE EXPORT macht das “Nicht-Sprechen-Können” psychologisch und politisch lesbar: als körperliche Behinderung, als mentales Handikap (…Angst…) und ebenso als gesellschaftliche Konvention/Verbot. Letzteres wird insbesondere durch einen Text deutlich, den die Künstlerin in die Installation integriert hat: Gebete von inhaftierten tibetanischen Mönchen werden mit Laserstrahl auf eine Fläche projiziert – geheime, verbotene Äußerungen über das Nicht-Sprechen-Können, in den Schriftzeichen der Orignalsprache, daher fremd, unverständlich und zunächst bedeutungslos im Raum schwebend ( Übersetzungen der Textpassagen legt EXPORT stets am Rande ihrer Ausstellungen aus).

Neben dieser großen Arbeit, die atmosphärisch den gesamten Raum des Kunstvereins einnehmen wird, wird eine neue CD-Rom zum Film Syntagma (1983) in der Ausstellung vorgestellt, die Materialien und Konzepte zu diesem zentralen Filmwerk von VALIE EXPORT zusammenbringt. Außerdem wird eine Auswahl ihrer fotografischen Konzepte zu sehen sein, u.a. digital bearbeitete Selbstportraits und die Fotomappe “Zyklus zur Zivilisation” aus dem Jahr 1972, in der die Regeln von Sprach- und Verhaltenscodes leitmotivisch wiederkehren.