GETTING OUT OF THE 20TH CENTURY ALIVE
CATHERINE SULLIVAN

ERÖFFNUNG:
Montag 19 Juli 2004
20 Uhr

GEÖFFNET:
20 Juli — 12 September 2004

Die amerikanische Künstlerin Catherine Sullivan (*1968, lebt und arbeitet in Los Angeles) bereitet zur Zeit ein Projekt vor, das mit den Mitteln des Theaters eine Neubetrachtung von dramatischen Konfrontationen zwischen Publikum und Kunst anzeigt. Ausgangspunkt ist das legendäre Festival der Neuen Kunst, das am 20. Juli 1964 im Audimax der RWTH Aachen stattfand und einen physisch ausgetragenen Konflikt zwischen Akteuren und studentischem Publikum sowie eine Strafanzeige zur Folge hatte. Das Foto des blutenden Joseph Beuys, der mit einem Kruzifix in der Hand gegen die Menge der Studenten tritt, gehört zu den berühmtesten Dokumenten dieser Zeit. Am Festival beteiligt waren außerdem Eric Andersen, Bazon Brock, Stanley Brouwn, Robert Filliou, Arthur Koepke, Tomas Schmit, Ben Vautier, Wolf Vostell und Emmett Williams (vgl. Kat. “Wollt Ihr das totale Leben, Fluxus und Agit Pop in Aachen”, hg. v. Sibille Spiegel und Adam Oellers, Neuer Aachener Kunstverein 1993)).

Catherine Sullivan nutzt dieses Ereignis als Basis für eine kollektive Theaterproduktion, zu der sie bildende Künstler, Musiker und Schauspieler unterschiedlichster Herkunft und Kontexte zusammenbringt. Mit dieser Konstellation von Beteiligten will sie Konfrontation, Konflikt und Widerspruch als strukturelle Prinzipien durchspielen und hierbei Inhalte entwickeln, die sich aus der Auseinandersetzung mit dem Fluxus Festival als Avantgarde-Mythos wie auch aus den Sensibilitäten und Konflikten der am Projekt Beteiligten herleiten.

Im Zusammenhang aktueller Perfomance- und Aktionsszenen erhält das spezifische, die Historie und die Gegenwart gleichermaßen reflektierende Moment in Sullivans Konzept eine besondere Signifikanz. Die deutsche Geschichte von Fluxus und Agit Pop ist nach wie vor virulent, alljährlich erleben wir populäre Ausstellungen in der gesamten Republik. Besonders präsent ist die Szene von Fluxus-Zeitzeugen und -Akteuren im Rheinland. Das Festival vom 20. Juli 1964 wurde von Aachener RWTH-Studenten organisiert und sie beteiligten sich selbst mit eigenen Aktionen. Vor diesem Hintergrund will der NAK alle Energie einbringen, um das aktuelle Theaterprojekt von Catherine Sullivan, dessen Konzeption tatsächlich eine distanzierte Neubetrachtung dieser Zeit einfordert, dem deutschen Publikum vorzustellen.

Der NAK wirkte als lokaler Berater und Kontaktgeber an der Vorbereitung dieses Projekts mit, dessen Idee aus Anlass des Performance-Festivals Nouvelles Tendances am Consortium Dijon entstand. Eine erste Umsetzung fand im Dezember 2003 im Atheneum Dijon sowie auf Einladung der Biennale de Lyon in der Opera Lyon statt, im April 2004 gastierte das Projekt anlässlich der Whitney Biennial in New York und Chicago. In Deutschland wird Catherine Sullivan mit einem neuen, durch deutsche Künstler und Schauspieler ergänzten Ensemble eine Aufführung im Aachener Audimax, am historischen Ort des Festivals vom 20. Juli, realisieren und parallel für den NAK eine Einzelausstellung zusammenstellen, welche das grenzüberschreitende künstlerische Werk Sullivans erstmalig in Deutschland vorstellen wird.

Im Zentrum der Ausstellung steht die Videoinstallation “Tis Pity She”s a Fluxus Whore” (2003), welche erstmalig in Deutschland zu sehen ist. In einer raumgreifenden, großformatigen Doppelprojektion erscheinen gefilmte Reinszenierungen aus dem Audimax in Aachen in Gegenüberstellung zu einer ähnlich rekonstruierenden Inszenierung, die Sullivan im Avery Memorial Theater in Hartford, Connecticut unternahm. Sullivan stellt hier einen expliziten Vergleich zwischen künstlerisch-aktionistischen und theatralischen Handlungen her, der außerordentlich suggestiv und atmosphärisch packend auch auf ein unwissendes Publikum einwirkt. Desweiteren soll die Ausstellung das künstlerische Konzept von Catherine Sullivan in fotografischen Serien und dokumentarischen Materialien umfassend erläutern. Sie bezieht sich hierbei gezielt auf Sullivans aktuelle Produktionsreihe zur Thematik des “20. Juli 1964″ und stellt das mehrjährige Gesamtvorhaben Sullivans dar. Zur Zeit beschäftigt sich Catherine Sullivan mit der Möglichkeit, auch originale Dokumente aus der Zeit von Fluxus und Agit Pop in ihre Ausstellung zu integrieren. Diese Präsentationsform wurde erstmalig in einem Ausstellungsbeitrag für die Biennale de Lyon sichtbar (Museumsinstallation aus der Fluxus-Sammlung des Musée des Beaux Arts, Lyon). Im NAK ist desweiteren die Wiederaufführung originaler Ton- und Filmaufnahmen aus den sechziger Jahren geplant, welche als Rahmenprogramm zur Ausstellung angeboten wird.

Catherine Sullivan ist ab Mai 2004 Stipendiatin des DAAD-Künstlerprogramms. Sie bereitet ihre Zusammmenarbeit mit den deutschen Akteuren während ihres diesjährigen Aufenthalts in Berlin vor und wird die Liste aller am Projekt beteiligten Künstlerinnen und Künstler voraussichtlich im Juni 2004 bekannt geben können.

“Getting Out of the 20th Century Alive” von Catherine Sullivan wurde mit dem Preis der Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung ausgezeichnet. Auf Einladung der Berliner Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz wird die Theaterproduktion anlässlich der Messe Art Forum am 18. September in Berlin gastieren. Die Dokumentation des gesamten Vorhabens wird in einem Katalog publiziert, der in Zusammenarbeit mit dem Kunstverein Braunschweig herausgegeben wird (dort Einzelausstellung von Catherine Sullivan ab 4. September 2004).

Das Projekt wird realisiert mit großzügiger Unterstützung durch
die Kulturstiftung des Bundes,
die Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung,
das Ministerium für Städtebau und Wohnen, Kultur und Sport des Landes NRW,
die West LB Düsseldorf
und das Kulturbüro der Stadt Aachen.