[EUROVISION] INTERRIOR / EXTERRIOR
TOBIAS DANKE & THOMAS MOHREN

ERÖFFNUNG:
Samstag 19 Juli 2008
19 Uhr

GEÖFFNET:
20 Juli — 31 August 2008

Das Ausstellungskonzept der EUROVISION, gezielt junge Künstler und Künstlerinnen aus der Euregio zu zeigen, geht 2008 ins zweite Jahr. Nachdem im letzten Jahr die Aachener Künstlerin Johanna Roderburg (*1954) mit einer Einzelausstellung ein großes Publikum anzog, zeigt der NAK 2008 die erstmalige Kooperation der Aachener Künstler Tobias Danke (*1970) und Thomas Mohren (*1973), die mit „Tobias Danke Interrior / Thomas Mohren Exterrior” ein Projekt extra für den NAK realisiert haben.

Der Titel „Interrior / Exterrior” verweist nicht nur auf zwei diametral entgegengesetzte Strategien des künstlerischen Schaffens, sondern auch auf das Zusammenspiel der beiden Künstler und ihrer Arbeiten in dieser exklusiven Ausstellung.

Nicht umsonst deutet der gewählte Ausstellungstitel ein Geflecht an Bedeutungen und Querverbindungen an, das sich in den ausgestellten Werken, in ihren Verästelungen und Verwurzelungen, spiegelt. Die in diese Wortschöpfung eingeflossenen lateinischen Begriffe „interior” (das Innere), „exterior” (das Äußere) und „terra” (die Erde) bezeichnen eine Auseinandersetzung mit inneren wie äußeren Prozessen, mit artifiziellen wie natürlichen Formen. Auch das Interieur, die Innenausstattung von Räumen, klingt hier an.

Während sich Tobias Danke zum Ausgangspunkt seines künstlerischen Denkens philosophische und auch anthroposophische Theorien wählt, die in seinem Werk Form annehmen, beobachtet und dokumentiert Thomas Mohren in tagelangen Streifzügen durch den Wald die zuweilen bizarr geformte Welt.

Tobias Dankes Teil der Ausstellung, „Interrior”, der das Innere des Raumes einnimmt, könnte man als Auseinandersetzung mit der Idee schlechthin bezeichnen. Nicht nur kann man die Installation „Interriortit” als Form gewordene Idee begreifen, sondern auch direkte Hinweise auf das Höhlengleichnis Platos und die „reine Idee” finden. Ebenso lässt sich Tobias Danke von der italienischen Sprachakademie Accademia della Crusca (wörtlich die „Weizenakademie”) und ihrer Sprachmetaphorik inspirieren. Die Accademia, im Florenz des 16. Jahrhunderts gegründet, verglich ihr Bestreben, die italienische Sprache zu reinigen, mit dem Bild, die Spreu vom Weizen zu trennen. In der traditionellen Innenausstattung der Akademie, die aus Brotkörben und Mehlschaufeln zusammengefügt ist, und in der jedes Mitglied eine eigene Schaufel mit Emblem besitzt, schlagen sich sprachliche Bilder und Ideen, die mit dem Prozess des Brotbackens verbunden sind, bis heute nieder. Tobias Danke, den dieses Umschlagen von Metapher in die konkrete Realität von quasi-rituellen Gegenständen und Möbelstücken interessiert, vereint in seinem „Neuro Tisch”-Interieur aus heutigen Brotkörben und einer metallenen Tischplatte mit hochgebogenen, an einen Höhleneingang erinnernden Seiten, die Bildsprache der Akademie mit der platonischen Idee. Der Betrachter, der sich an den „Neuro Tisch” setzt, spiegelt sich ins Unendliche – oder schaut er die reine Idee?

Begleitet, ergänzt und erweitert wird dieses „Interrior” durch das „Exterrior” von Thomas Mohren. Seine Fotografien schlängeln sich an den Wänden, also außen, entlang, sie beschäftigen sich aber auch inhaltlich, in den Motiven, mit dem, was Außen liegt – mit der freien Natur, dem öffentlichen Stadtraum und nah an dem, was wir durch das Sehen und in der Dokumentation als materielle Realität wahrnehmen. Und trotzdem erscheinen einem die Motive von Thomas Mohren oft so, als hätte man solche Phänomene noch nie gesehen, sie wirken oft rätselhaft und wie die Übrigbleibsel geheimer Machenschaften, deren Sinn wir nicht dekodieren können.

Tatsächlich ist dies auch die Herangehensweise von Thomas Mohren. Fast schon ein Teil der Natur streift er tagelang durch die Umgebung, vorzugsweise durch den Wald, und findet seine Motive, mehr als dass er sie wirklich sucht. Die Fotografien von Thomas Mohren stellen die Realität dar, aber nicht in Frage. Sie sind dazu angetan, uns unser Vertrauen in die Authentizität der Fotografie, die im Zeitalter der digitalen Manipulation und der aufgemotzten, veränderten Bilder bereits abhanden gekommen ist, zurückzugeben. Konsequent analog fängt Thomas Mohren seine Motive ein und verzichtet auf jegliche Nachbearbeitung. Seine Arbeitsweise beschreibt er als das Auffinden von „Vorbearbeitetem”, also dem Profitieren von dem, was andere Menschen oder auch die Natur letztlich schon geformt haben, um auf seinen Fotos festgehalten zu werden.

Zusammen treten beide Arbeiten, im ursprünglichsten platonischen Sinne, dialektisch in einen Dialog, der die Möglichkeit eröffnet, den äußeren Schein der Dinge in ihren gegenseitigen Verstrickungen zu ergründen und neue Erkenntnisse aus diesem wechselseitigen Spiel zu gewinnen.

Danke/Mohren 07