Cruise Line
SIMON DENNY

ERÖFFNUNG:
Samstag 19 März 2011
20 Uhr

GEÖFFNET:
20 März — 1 Mai 2011

“He is a man who is good at going to sleep. It is his peculiar talent. Until that day he can do it professionally, he fancies himself a proletarian, and certainly if laze is a labor, he is by now at least a foreman.” (Mark von Schlegell)

Simon Dennys Kunst siedelt sich just an jener Grenze an, an der Raumforschung zur Oberflächenabtastung wird. In seinen oft fragil und beiläufig wirkenden Installationen aus unterschiedlichsten Materialien kollabieren die Unterschiede zwischen „realen” und „virtuellen” Räumen auf der Oberfläche der entsprechenden Interfaces. Denny nimmt sich populären Unterhaltungs- und Konsumkulturen und ihren technischen Verbreitungsmedien an, fertigt aus alten Fernsehgeräten aquariumartige und trashig-wackelig wirkende Skulpturen, die im Zeitalter des Flatscreens ironisch-melancholisch den ehemaligen Objektstatus des Fernsehgerätes als Einrichtungsgegenstand und Wohnzimmeraltar zitieren. Dann wieder ordnet er verschiedene Geräte ihrer Tiefe nach im Raum an, so dass der Weg der „Verflachung” vom wuchtigen Ding im Raum zum „Bild an der Wand” wie in einer Evolutionsgeschichte sichtbar wird.

Dennys Ausstellung CRUISE LINE im NAK. Neuer Aachener Kunstverein entfernt sich jedoch von der thematischen Klammer „Fernsehen” und borgt sich ihren Titel von der Kreuzfahrtflotte des ██████-Konzerns, der „██████ Cruise Line”. Deren vier Schiffe sind rundum durchkonzipierte Themenparks für die ganze Familie, real gewordene Comic-Welten: mit „██████-Character-Greeting” am Morgen, mit Planschen im ██████-█████-Swimmingpool am Nachmittag für die Kleinen und ██████-Menü und ██████-Revue am Abend für die Großen. In den Kabinen warten derweil die Handtücher zu niedlichen Wau-Waus auf dem Bett gefaltet. Kurz: diese Schiffe sind schwimmende Unterhaltungsfestungen, thematische und autark auf dem Ozean treibende Firmenwelten – Blasen, in denen man sich bewegt, während sie sich bewegen.

Auch Dennys CRUISE LINE begreift sich als eine Art „Scripted Environment” ohne Außenseite, als aus unterschiedlichsten Materialien und Medien zusammengesetztes, betretbares Bild und Spiel mit luftdicht versiegelten Oberflächen und inszenierten Realitäten, das sich bis auf den sogenannten „Blick hinter die Kulissen” ausdehnt. In insgesamt drei Arbeiten beschäftigt sich Denny mit dem Aachener Unternehmen ████ █████, das für die Metalloberflächenveredelungen auf der „███████ █████”, dem bislang neuesten Schiff der ██████-Flotte verantwortlich zeichnet: Im Untergeschoss ist einem Flachbildschirm ein in 3-D gefilmter Rundgang durch die Räume der Firma zu sehen, neben seinen Fernsehskulpturen zeigt Denny seltsam-amorphe Abfallprodukte des Verchromungsprozesses. Ergänzt wird dieses Paar im Obergeschoss mit einer Dokumentation der finalen Politur der Chromteile auf der ██████ █████, gemacht von der ████-█████-Crew selbst. Während die 3-D-Technik im Falle des Rundgangs die Bilder selbst räumlich betretbar erscheinen lässt und die Fernsehvitrine selbst zum unbewegten Bild wird, gleiten hier die Bilder im Stile eines Bildschirmschoners einfach auf der Oberfläche ineinander. Zusammengenommen eine Art Dreischritt der Aufklärung in unterschiedlichen Verhältnissen von Bild und Raum, der vor allem immer wieder eins produziert: neue opake Oberflächen.

Das Obergeschoss schließlich hat Denny mit einem im Stile einer Reling umlaufenden Tau gleich ganz in die Simulation eines Schiffsdecks verwandelt. Dieses Tau schneidet nicht nur die Fenster des Kunstvereins, sondern ebenso sieben Digitaldrucke – Labyrinthe unterschiedlicher Schwierigkeitsgrade, die mit einem einfachen Trick ad absurdum geführt wurden: Öffnet man sie in einem Bildbearbeitungsprogramm und klickt mit dem Auswahlwerkzeug darauf, so zerfallen sie in zwei Hälften und der Lösungsweg wird sichtbar. Was zunächst kompliziert und opak erschien, wird durchsichtig und offensichtlich, wird zu Muster und Dekor. Überall treibt CRUISE LINE dieses Spiel mit der Aushöhlung und Vorführung, überall werden Hüllen produziert, Schalen und Oberflächen. Alles hier wird auf eine Ebene gebracht – bis zur Ausstellungspublikation, die Denny und der NAK gemeinsam mit dem Schriftsteller Marc von Schlegell und dem Kulturtheoretiker Norman M. Klein realisiert hat: Auch sie wird als pdf-Projektion auf dem gleichen Niveau wie die anderen Exponate in die Ausstellung integriert. Dass die Dinge durch all diese buchstäblichen und metaphorischen Verflachungen aber „banaler” und einfacher zu begreifen wären, ist ein Trugschluss. Genau das Gegenteil ist der Fall.

Simon Denny (*1982 in Auckland, New Zealand) hat an der Elam School of Fine Arts Auckland, New Zealand, und an der Städelschule, Frankfurt am Main, bei Prof. Willem De Rooij studiert. Denny lebt in Berlin.

 

Die parallel erscheinende Publikation wird gemeinsam mit der Galerie Daniel Buchholz finanziert und herausgegeben. Sie erscheint bei Buchhandlung Walther König in Köln.

NAK | SIMON DENNY: CRUISE LINE

NAK | SIMON DENNY: CRUISE LINE

NAK | SIMON DENNY: CRUISE LINE