Paintings Sweet Paintings
Billy Childish, Matthias Dornfeld
ERÖFFNUNG:
Samstag 27 September 2014
19 21 Uhr
GEÖFFNET:
28 September
2 November 2014
Ausstellungsansicht Billy Childish, “The Willow Tree”, 2013, Courtesy Billy Childish und neugerriemschneider, Berlin
Ausstellungsansicht Billy Childish, “The Willow Tree”, 2013, Courtesy Billy Childish und neugerriemschneider, Berlin
Ausstellungsansicht Matthias Dornfeld “Ahnengalerie”, Courtesy Matthias Dornfeld und Waldburger Wouters, Soy Capitan, Ancient & Modern, Matthias Jahn
Ausstellungsansicht Matthias Dornfeld “Ahnengalerie”, Courtesy Matthias Dornfeld und Waldburger Wouters, Soy Capitan, Ancient & Modern, Matthias Jahn
Der NAK. Neuer Aachener Kunstverein freut sich die Ausstellung Paintings Sweet Paintings der beiden Künstler Billy Childish und Matthias Dornfeld präsentieren zu können.
Innerhalb des 2011 ausgerichteten Symposium Thinking through Painting postulierte Isabelle Graw in skizzenhafter Weise eine allgemeine „Revitalisierung des mythischen Glaubens an «die Malerei»”1. Anknüpfend an diese Beobachtung lassen sich nicht zuletzt die Positionen Billy Childishs und Matthias Dornfelds als aktuelle Beispiele einer solchen Entwicklung lesen. Denn in auffälliger Weise zeichnen sich ihre Arbeiten durch eine beharrliche Unbekümmertheit gegenüber jenen großen Antagonismen der jüngeren Malereigeschichte aus, wie sie sich traditionell etwa zwischen den Ansätzen einer diskursiv-kontextuellen und einer subjektiv-authentischen Malerei ergeben. Zu vereinfachend wäre es hierbei allerdings, die Werke der beiden Künstler alleinig aufgrund der vorherrschenden Wahl klassischer Sujets oder den offensichtlichen Rückbezügen auf den formalen Kanon der frühen Moderne in einem solchen Kontext zu verorten. Als viel entscheidender erweist sich hingegen ihre Einnahme einer positiv unaffektierten Haltung gegenüber den theoretischen und praktischen Dekonstruktionen des malerischen Mediums zugunsten einer stringenten Bejahung des eigenen malerischen Prinzips. Denn erst im Zuge dieses Hintergrunds erlangen ihre Werke letztlich jenen eigentümlich-malerischen Charakter, der beständig zwischen altbekannter Vertrautheit und anachronistischer Befremdlichkeit, dekorativer Ästhetik und existenzieller Ernsthaftigkeit sowie künstlerischem Traditionalismus und künstlerischem Außenseitertum oszilliert.
Anknüpfend an diesen Hintergrund präsentiert der britische Künstler Billy Childish innerhalb der Ausstellung Paintings Sweet Paintings mehrere Werke aus seiner Bilderserie Willow Tree, die sich – und hier dienen die wiederkehrenden Verweise auf den historischen Schauplatz Kroonstad als kontextualisierender Anhaltspunkt – jeweils an fotografische Originalaufnahmen aus den britisch-südafrikanischen Boer Kriegen des späten 19. Jahrhunderts anlehnt. Bewegen sich die Bilder dabei auf den ersten Blick vordergründig im Sujet der Landschaftsmalerei, so eröffnet die immer wiederkehrende Ähnlichkeit zwischen den dargestellten Figuren und dem Erscheinungsbild des Künstlers selbst zugleich eine anhaltende Nähe zum Portraithaften. Die für Childish oftmals typische bildsprachliche Anlehnung an für die künstlerische Frühmoderne wegweisende und im visuellen Gedächtnis bereits hochgradig konnotierte Vorbilder, lässt sich hingegen nicht nur in seinem an die expressive Grammatik eines späten Edvard Munch und die farbliche Intensität eines Karl Schmidt-Rottluffs erinnernden Formalstil verfolgen, sondern finden sich ebenso in seinen die magische Atmosphäre eines Peter Doig aufgreifenden Bildwelten wieder. Nicht zuletzt anhand seiner künstlerischen
Vergangenheit als Teil der Stuckisten wird dabei jedoch ablesbar, dass sich hinter Childishs expressiv-malerischen Gestus keinesfalls ein simpler Traditionalismus oder gar Retrogradismus verbirgt, sondern dieser sich als bewusste und beinahe konzeptuelle Einnahme einer kritischen Anti-Haltung gegenüber den unablässig wechselnden Moden der zeitgenössischen Kunst erweist. Im selben Moment sind es diese – nicht immer widerspruchsfreien – Versuche einer kritischen (Selbst-)Positionierung, die sich als roter Faden ebenso durch das musikalische und literarische Schaffen des Gesamtkunstwerks Billy Childish ziehen.
Demgegenüber zeigt der Berliner Künstler Matthias Dornfeld innerhalb der Ausstellung eine Auswahl an malerischen Werken, die sich – nicht zuletzt aufgrund ihrer übergreifenden Motivik, ihrer unterschiedlichen Entstehungszeitpunkte sowie ihres räumlichen Arrangements – als lose Genealogie seiner langjährigen Beschäftigung mit dem Feld weiblicher Portraits lesen lassen. Nicht nur bewegt sich somit auch die Malerei Dornfelds im Bereich der klassischen Bildgattungen, sondern zugleich generieren seine in ihrer Maskenhaftigkeit nicht selten an Jawlensky erinnernden Arbeiten oftmals eine Bildästhetik, wie sie insbesondere für die einstigen Ansätze der naiven Ausdrucksmalerei charakteristisch ist. Doch während Childish in seinen Arbeiten tatsächlich jenen ursprünglichen Prinzipien des Expressiven folgt, zeigen sich Dornfelds Werke letztlich vordringlicher in den die genuinen Mittel der Malerei reflektierenden Bildfindungsstrategien der analytischen Abstraktion verhaftet. Denn sowohl bedient er sich in seinem künstlerischen Schaffensprozess dem Verfahren einer andauernden Schichtung und Übermalung als auch dem komplementären Gebrauch von Farbe und einem offenen Spiel zwischen Linie, Fläche und Form. Weniger kommt es Dornfeld also auf die malerische Setzung einer expressiven Geste an, als vielmehr auf die Hervorbringung einer bildimmanenten Realität, in der sich die Grenzen zwischen abstrakten und figurativen Bildelementen produktiv verwischen und zu einer formalen Harmonie fortgeführt werden. Gerade im Anschluss an diese Vorgehensweise bleibt das Individuelle in Dornfelds Portraits auch nie auf die vermeintlich erkennbare Physiognomie des Menschlichen beschränkt, sondern ergibt sich in malerisch konsequenter Weise stets ebenso aus der physiognomischen Struktur seiner Bilder selbst.
In ihrem aktuellen Status zwischen Kitsch und menschlichen Sehnsuchtseingeständnis zeigt sich die weithin bekannte Phrase Home Sweet Home oftmals als befremdlich wie auch anziehend zugleich. Aus einer ähnlich widerspruchsvollen Dynamik speist sich ebenso der Reiz der Werke innerhalb der Ausstellung Paintings Sweet Paintings. Denn nur allzu einfach ließen sie sich im Kontext kunsttheoretischer Debatten als bloßer Eklektizismus oder kitschiger Naivismus markieren. Aber was sie stattdessen – und dies gleichsam aus unterschiedlichen Richtungen – zu erfüllen vermögen, ist eine ungebrochene Leidenschaft an genuin malerischen Formen der Welterschließung oder, anders gesagt, eben eine beharrliche Revitalisierung des mythischen Glaubens an die Malerei.
1 Graw, Isabelle (2012): „Das Versprechen der Malerei. Anmerkungen zur Medienunspezifik, Indexikalität und Wert”, in: Geimer, Peter/Isabelle Graw (Hg.): „Über Malerei: Eine Diskussion”, Berlin: August Verlag, S. 15-38, S. 45.